(3) Historische Konstruktionen des Vergangenen und ihre Zurichtung auf Entwürfe des Gegenwärtigen (TP 02 Johnston/Keller, TP 04 von Rosen)
Der literarische Diskurs ist insbesondere dann zu einer expliziten oder impliziten Stellungnahme über die eigenen diskursiven Prozeduren herausgefordert, wenn er Vergangenes zu konzeptualisieren sucht und entsprechende Verfahren zu dessen Reflexion zu entwickeln hat. Dabei sind agonale Konstruktionen von ‚Antike‘ – etwa eine ‚mittelalterliche‘ vs. eine ‚frühhumanistische‘ Modalität – nicht einer rinascimentalen Bemühung um objektive historische Rekonstruktion zuzurechnen, sondern sind zuvörderst von dem Interesse frühneuzeitlicher Autoren geleitet, die eigene ‚neue‘ Produktion samt ihrer ‚alten‘ Thematik mit diachron unterschiedlich positionierten Anschlusspunkten strategisch abzugleichen und dabei abseits einer linearen ‚alt‘-‚neu‘-Syntagmatik die jeweils eigene Bezugsfolie als novatorisch produktiv zu markieren (TP 02 Johnston/Keller). In der historischen Kunsttheorie zeigt sich eine vergleichbare Problemlage, in deren Kontext über die Konstruierbarkeit linearer ‚alt‘-‚neu‘-Relationen bzw. über antiteleologische Gegenentwürfe gestritten wird: Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bestehen hier gegensätzliche Positionen zu der Frage, inwiefern teleologische kunstgeschichtliche Ordnungsmuster der kunsthistorischen Situation angemessen seien. Die Opponenten der Teleologie versuchen konzeptuelle Alternativen a-diachroner, thematisch-‚topischer‘ Anlage zu installieren. Die Teilnehmer dieser konträren Debatte bedienen sich dabei signifikanterweise häufig der Dialogform als frühneuzeitlichen Instruments einer Verhandlung über eine zu hybriden Relationen tendierende Situation auf der historischen Objektebene, deren Komplexität sich nicht in linearen Abfolgen auflösen und anordnen lässt (TP 04 von Rosen).